Projekt Beschreibung

Die Fragen stellte Paul Schönewald, Arbeitsgruppe „10 Fragen an” des Netzwerks Junge Generation Deutschland-Korea

Hinweis: Die Äußerungen unserer Interviewpartner stellen deren Meinung dar und spiegeln nicht grundsätzlich die Meinung des Deutsch Koreanischen Forums e.V. oder des Netzwerks Junge Generation Deutschland-Korea wider.

 

Allgemeines:

  1. Welche Position nehmen Sie innerhalb der Hans-Seidel-Stiftung Korea ein und welche Aufgaben gehören dazu?

 

Seit 2002 habe ich die Freude, Repräsentant der Hanns-Seidel-Stiftung in Korea zu sein. Zu den Aufgaben gehört es, zusammen mit unseren Partnern in Südkorea und Nordkorea Veranstaltungen vorzubereiten und durchzuführen, politische Kontakte (vor allem im Wiedervereinigungsministerium, in der Koreanischen Nationalversammlung, in Parteien und Verbänden, mit den Deutschen in Korea sowie mit Diplomaten) zu pflegen, viele Vorträge zu halten etc. Bis zur Covid-19-Pandemie waren es vor allem die Reisen nach Nordkorea und in Drittstaaten, wo wir Seminare mit Nord- und Südkoreanern veranstaltet haben, die viel Mühe, aber auch Freude gemacht haben. Zu unseren Partnern gehören in Südkorea u.a. das Institute for Peace Affairs, die Graduate School of Public Administration der Seoul National University, das Ojeon Eco-Resilience Institute der Korea Universität, das Institut für Koreastudien der Hallym University of Graduate Studies, das Rural Research Institute und andere. In Nordkorea arbeiten wir hauptsächlich mit dem Umweltministerium (Ministry of Land and Environment Protection) und der Korea Europe Association for Technological and Economic Cooperation zusammen.

 

 

  1. Woher stammt Ihr Interesse bezüglich der koreanischen Halbinsel?

 

Von 1998 bis 2002 habe ich an der Graduate School of International and Area Studies der Hankuk University of Foreign Studies Volkswirtschaftslehre gelehrt. Das war die Anfangszeit der „Sonnenscheinpolitik“. 2002 habe ich eine Südkoreanerin geheiratet. Und meine Habilitation (Abschluß 2007) habe ich über die Asienkrise in Korea geschrieben. Das Interesse war dann ganz natürlich.

 

  1. Welche Ziele verfolgt die Hanns-Seidel-Stiftung Korea?

 

Die HSS möchte weltweit „Demokratie, Frieden und Entwicklung“ fördern. In Korea ist unser Hauptziel Unterstützung bei der friedlichen Aussöhnung auf der koreanischen Halbinsel – eine Mega-Aufgabe, die leider auch 70 Jahre nach Ausbruch des Korea-Kriegs und 75 Jahre nach der Koreanischen Teilung noch nicht in Ansätzen gelöst ist. Vor allem wollen wir Begegnungsmöglichkeiten für Nord- und Südkoreaner schaffen, u.a. im Bereich des Umweltschutzes. Wir haben in Nordkorea ein Projekt zur nachhaltigen Forstwirtschaft und Umweltentwicklung, und unterstützen in Südkorea die nachhaltige Entwicklung der inner-koreanischen Grenzregion. In diesem Rahmen lassen sich manchmal wichtige Begegnungen beider Seiten organisieren, z.B. in internationalen Konferenzen.

 

 

 

 

Kulturelles:

 

  1. Was ist für Sie typisch deutsch?

 

Wenn ich nach Deutschland komme, muss ich mich (nachdem ich jetzt fast 20 Jahre in Südkorea Auto fahre), schon wieder daran gewöhnen, auch nachts an roten Ampeln anzuhalten… Ich glaube, die Maskenpflicht ist so etwas „typisch deutsches“: erst wurde monatelang diskutiert, dass Masken gegen Covid-19 völlig wirkungslos sind, dann wurde aber gleich eine strafbewehrte Pflicht daraus.

 

Aber vieles ist auch positiv: Ich bin in Deutschland auf dem Land aufgewachsen (im schönen Münsterland), hatte aber nie das Gefühl, dort „in der Provinz“ zu sein. In Korea sind die Gegensätze von Stadt und Land viel größer. Die flächendeckende Versorgung mit öffentlichen Gütern ist etwas, was Deutschland wie kaum ein anderes Land gut erreicht hat, trotz aller Probleme, die es manchmal gibt, etwas mit dem Internet.

 

  1. Was ist für Sie typisch koreanisch?

 

Ich habe mich inzwischen daran gewöhnt, dass Partner kommen, mit uns z.B. eine Studienreise nach Deutschland organisieren wollen, und auf die Frage, wann es sein soll, antworten: wir haben die Tickets für übernächste Woche gebucht. Und das fantastische ist: meistens klappt es dann auch (irgendwie)…

 

 

Anlässlich der aktuellen globalen Situation:

 

  1. Wo sehen Sie die größten Unterschiede zwischen Deutschland und Südkorea bezüglich des Umgangs mit COVID-19?

 

Wie schon oben gesagt, die Koreaner haben manches – Maskentragen, Nachverfolgung von Kontakten, vor allem auch strikte Kontrollen an Flughäfen – sehr gut hinbekommen. Ein Lockdown war dann nicht möglich. Natürlich muss man auch darauf hinweisen, dass Südkorea (quasi) eine Insel ist und die Einführung des Virus über das Ausland hier viel einfacher kontrolliert werden konnte als in Deutschland mit den offenen Grenzen.

 

  1. Was können Deutschland und Korea im Umgang mit der Pandemie voneinander lernen?

 

Deutschland hat m.E. den Fehler gemacht, einerseits durch Verweis auf den Datenschutz (der im Fall einer Pandemie m.E. viel weniger wiegt als der Schutz des Lebens aller anderen) eine gute Nachverfolgung viel zu lax betrieben zu haben, dann aber durch den Lockdown massiv in die Grundrechte aller eingegriffen zu haben. Das ist mir völlig unverständlich. Insbesondere ältere Menschen haben dadurch unverhältnismäßig gelitten, etwa wenn sie nicht ihre Angehörigen beim Sterben oder sogar beim Begräbnis begleiten konnten.

 

Korea hat vieles richtig gemacht; allerdings sind die „im Zuge der Pandemie“ eingeführten, aber möglicherweise ganz anders motivierten neuen Visa-Regelungen (das sogenannte „Re-Entry“-Visum, was eigentlich völlig zweckfrei ist, auch Visa-Verschärfungen und die völlig Dispensierung von Touristenvisa) nicht zielführend und wird auch wirtschaftlich dem Land stark schaden. Der deutsche Weg größerer Offenheit, mit der Möglichkeit regionaler Shutdowns und einer Liste von Risiko-Ländern beim Robert-Koch-Institut scheint dort viel angemessener zu sein.

 

 

Beziehung Süd- und Nordkorea:

 

  1. Was wünschen Sie sich für die Zukunft hinsichtlich der Beziehung zwischen Süd- und Nordkorea?

 

Ich wünsche mir das Gegenteil der jetzigen Situtation: Also, keinen Teufelskreis von Drohungen und Spannungen, sondern eine andauernde Entspannung. Leider ist dies wesentlich nur in Zusammenarbeit mit Nordkorea zu erreichen. Als Zwischenschritt könnte Südkorea allerdings die Beziehungen seiner Bürger zum Norden viel stärker von der persönlichen Einschätzung und dem persönlichen Engagement der Bürger abhängig machen anstelle einer alleine staatlich gelenkten Lösung.

 

 

  1. Welche Rolle sollte Deutschland innerhalb des Annäherungsprozesses zwischen Süd- und Nordkorea einnehmen?

 

Deutschland hat sich in der Vergangenheit als guter Partner für Süd- wie auch Nordkorea gezeigt. In Südkorea hat Deutschland über viele Jahrzehnte in wichtigen Bereichen kooperiert. Ein Beispiel ist der Forstbereich, wo jahrzehntelang deutsche Experten eng mit der Koreanischen Forstverwaltung bei der Wiederaufforstung zusammengearbeitet haben. Aber auch in Nordkorea ist Deutschland ein wichtiger Partner, z.B. durch die Aktivitäten im humanitären Bereich, wie durch die Welthungerhilfe, im kulturellen Bereich, wie durch das Goethe-Institut, und auch durch die Stiftungen. Wir müssen versuchen, soviel wie möglich eine Brücke beider Seiten zu bilden. Dabei ist zwar die Lage in Korea ganz anders als die in Deutschland vor 1990. Aber ein Rückblick kann doch helfen, z.B. wenn man über das schwierige Verhältnis von Menschenrechtsarbeit und humanitärer Arbeit auf der koreanischen Halbinsel nachdenkt.

 

 

Aussicht:

 

  1. Gibt es Möglichkeiten für junge Leute sich innerhalb der Hanns-Seidel-Stiftung Korea zu engagieren?

 

Ja, die gibt es: die Hanns-Seidel-Stiftung bietet für junge Leute Praktika an und hat i.d. Regel 2-3 Praktikantinnen und Praktikanten, die uns bei der Arbeit fantastisch unterstützen. So helfen sie uns z.B., Daten für Nordkorea aufzubereiten, die dort sonst für unsere Partner, die ja keinen freien Internetzugang haben, nicht erhältlich sind. Man muss sich allerdings rechtzeitig vorher bewerben (natürlich ist die Zeit der Semesterferien immer sehr beliebt und dadurch oft schon belegt) und mindestens zwei bis drei Monate (besser mehr) Zeit mitbringen.

Man kann auch, wo immer das möglich ist, zu unseren Veranstaltungen kommen. Und wir freuen uns schon jetzt darauf, zusammen mit dem Deutsch-Koreanischen Juniorforum das vorgeschaltete Seminar für deutsche Teilnehmer zum diesjährigen Forum mit vorzubereiten.