Projekt Beschreibung
Die Fragen stellte die Arbeitsgruppe „10 Fragen an“ des Netzwerks Junge Generation Deutschland-Korea.
Hinweis: Die Äußerungen unserer Interviewpartner stellen deren Meinung dar und spiegeln nicht grundsätzlich die Meinung des Deutsch Koreanischen Forums e.V. oder des Netzwerk Junge Generation Deutschland-Korea wider.
1. Was hat sie motiviert, die Position als Ko-Vorsitzender des DKFs einzunehmen und was sind Ihre Ziele und Wünsche für dieses Jahr?
Als stellvertretender Ministerpräsident und Wirtschaftsminister in Sachsen, habe ich viel mit der Politik und Wirtschaft in asiatischen Ländern zu tun. In Ostasien haben wir nur zwei demokratische Länder, welche unsere Werte und Einstellungen teilen: Japan und Südkorea. Gerade die Beziehungen zu Südkorea haben mich schon immer gereizt, da es viele Parallelen zu Deutschland und Sachsen gibt: Wir stehen vor den gleichen geostrategischen und globalen Herausforderungen. Ich nenne mal die Stichworte: Wirtschafts- und Militärmacht China, Demografie, Klimawandel, neue Technologien… Als ich dann aus dem Bundestag heraus gefragt wurde, ob ich mir vorstellen könnte, als Landesminister die tolle Aufgabe des Vorsitzenden zu übernehmen, habe ich sehr schnell ja gesagt.
Was ich mir wünsche? Für dieses Jahr ein tolles Forum in Dresden, spannende Veranstaltungen des Netzwerkes mit engagierten Mitgliedern, eine weiter wachsende Freundschaft und Zusammenarbeit mit unseren koreanischen Partnern. Und vor allem Frieden und Entspannung in Ostasien.
2. Welche Eindrücke haben Sie vom Forum in Busan 2023 und welche Erwartungen haben Sie für das Forum 2024 in Dresden?
Ich war das erste Mal beim Deutsch-Koreanischen-Forum, aber nicht das erste Mal in Südkorea. Für mich war es sehr interessant und ich habe viel gelernt. Es gibt sehr viele Gemeinsamkeiten, aber auch ein paar Mentalitätsunterschiede. Aber das ist ja das Spannende, was ich an meiner Arbeit, auch als Minister, so mag. Ich war beeindruckt von der Tiefe der Diskussionen, von der Themenvielfalt und vor allem vom Jugend-Forum. Und natürlich habe ich die persönlichen Begegnungen sehr geschätzt.
Ob wir im September in meiner Heimat, in Dresden, allerdings eine Karaoke-Bar finden werden, wo wir mit den Juniorforum-Teilnehmern wieder zusammen singen können – da bin ich mir noch nicht so sicher. Im Ernst: In Dresden werden wir die bewährte Form des Forums beibehalten. Allerdings wünsche ich mir schon eine engere Verzahnung zwischen DKF und Juniorforum – dass man sich öfter begegnen kann, gemeinsame Themen bespricht und sich austauscht.
3. Während des Deutsch-Koreanischen Forums 2023 haben Sie über drei Dimensionen der künstlichen Intelligenz gesprochen – die ethische, die rechtliche und die technische Dimension. Welche der drei Dimensionen steht Ihrer Meinung nach im Vordergrund und was können Deutschland und Korea in diesem Bereich voneinander lernen?
Es ist ein Dreiklang. Alle drei Dimensionen müssen immer zusammen gedacht werden. Was wollen wir für eine KI? Eine, die letztlich den Menschen ersetzt, uns den Sinn der eigenen Existenz wegnimmt, eventuell gegen uns agiert – wie es einige Simulationen bereits zeigen? Wir müssen die Frage mitdenken, wer haftet, wenn eine KI falsch entscheidet. Der Hersteller, etwa des autonom-fahrenden Autos bei einem Unfall? Der KI-Entwickler? Der, der das Auto gekauft hat?
Auch bereits auf dem Markt befindliche KI werfen rechtliche Fragen auf – etwa, wenn Fotos, Stimmen, Videos manipuliert, „eigene Nachrichten“ erstellt werden oder Fake News in Umlauf kommen. Wollen wir alles ermöglichen, was technisch machbar ist? Es stellen sich täglich mehr und neue Fragen. Diese können wir nicht allein als Deutschland oder Europa beantworten. Gerade Asien, als Inkubator neuer technischer Innovationen, muss einbezogen werden. Und da sind die befreundeten Länder Japan und Südkorea unsere ersten Ansprechpartner.
4. Inwiefern sehen Sie das Narrativ „Korea kann von Deutschland etwas für seine eigenen Wiedervereinigungsbestrebungen lernen“ als noch aktuell an? Gilt dieses Narrativ nach wie vor als Motivation sich auszutauschen?
Das ist eine schwere Frage. Ja, unter Umständen kann Korea von Deutschland lernen. Vor allem, welche Fehler man nicht wiederholen und was man mit bedenken sollte bei einer Vereinigung. Allerdings sind die Ausgangsbedingungen zwischen den beiden Teilen Koreas doch völlig andere, als wir sie 1989 in Deutschland hatten. Letztlich ist ein solcher Moment von historischer Dimension nicht plan- und steuerbar. Ich gehe davon aus, dass die Koreaner beider Seiten sich Rat holen werden, wenn sie diesen benötigen.
Man kann immer viel über das Thema sprechen, aber gerade wenn ich mir die Schlagzeilen der vergangenen Wochen anschaue, ist eine denkbare Vereinigung Koreas doch in sehr weite Ferne gerückt. Gespräche und Diskussionen darüber sollten aber nicht abreißen. Im Dresdner Hygienemuseum gibt es bis Ende Mai 2024 eine sehr spannende Sonder-Ausstellung über Nordkorea: „Let’s talk about mountains“. Da wird das Thema Annäherung und Gemeinsamkeiten beider Koreas ganz unaufgeregt berührt.
5. In welchen Bereichen könnte Ihrer Meinung nach Deutschland von engerer wirtschaftlicher und eventuell auch wissenschaftlicher Zusammenarbeit mit Korea besonders profitieren? In welchen Bereichen läuft die Zusammenarbeit bereits sehr gut?
In allen. Ich meine das so. Denn der Blick über den Tellerrand ist schon immer wichtig und sinnvoll gewesen. Ob im Automobilbau – wo wir vor einem großen Umbruch stehen, im Bereich der künstlichen Intelligenz, bei der Erforschung von Wasserstofflösungen, Batterietechnik und, und, und. Es gibt keinen Bereich, wo es nicht gut und richtig wäre, sich auszutauschen und zu kooperieren. Im Herbst weilte ich in Seoul bei einem Kooperationsabkommen des Fraunhofer IKTS aus Dresden mit dem Korea Evaluation Institute of Industrial Technology (KEIT): Sie gründen ein gemeinsames Zentrum für Technologiekooperation, welches nun bereits seine Arbeit aufnimmt. Das Zentrum soll Technologiebedarfe und Programme der Technologieförderung für gemeinsame Projekte identifizieren, es unterstützt bei der Projektanbahnung ebenso wie beim Technologietransfer und nimmt am Projektprüfungsprozess beider Länder teil. Das ist doch toll und zeigt, dass man gemeinsam mehr erreicht.
6. In welchen Bereichen überschneiden sich Deutschlands und Koreas Ziele für Umweltschutz? Wo besteht aktiv die Absicht zur Zusammenarbeit? Wo können die Länder hierbei voneinander lernen?
Beide Nationen wissen, welche globalen Herausforderungen es gibt. Deutschland und Korea haben das Pariser Klimaabkommen unterzeichnet, was uns klare Pflichten – etwa bei Treibhausgasemissionen – bis zum Jahr 2050 auferlegt. Die Energie- und Klimawende ist in beiden Ländern im Gange. Hier wie dort werden in den kommenden Jahren Kohlekraftwerke vom Netz gehen. Sonnen- und Windenergie werden in beiden Ländern massiv ausgebaut. Die Zusammenarbeit in diesen Bereichen funktioniert – ich selbst habe im Herbst bei einer Unternehmerreise nach Seoul und Ulsan erlebt, wie sich unsere und koreanische Unternehmen bei den Themen Wasserstoff, Elektromobilität und regenerative Energien eng vernetzen und kooperieren. Mir ist aber auch wichtig, dass wir so früh wie möglich ansetzen: Wenn wir in Sachsen im Schüler- und Studentenaustausch mehr erreichen könnten, wäre ich sehr zufrieden.
7. Was würde das europäische Lieferkettengesetz für den Handel mit Südkorea bedeuten? Gab es auf dieses eine Reaktion von der koreanischen Regierung?
Zunächst, dass europäische Lieferkettengesetz sollte uns allen wichtig sein. Damit sollen große Unternehmen zur Rechenschaft gezogen werden, wenn sie etwa von Kinder- oder Zwangsarbeit außerhalb der EU profitieren. Größere Unternehmen müssen zudem einen Plan erstellen, der sicherstellt, dass ihr Geschäftsmodell und ihre Strategie mit dem Pariser Abkommen zum Klimawandel vereinbar sind. Koreanische Unternehmen können von der Richtlinie betroffen sein, wenn sie mehr als 150 Mio. Euro Nettojahresumsatz in der EU oder 40 – 150 Mio. Euro Nettojahresumsatz in der EU und mindestens 20 Mio. Euro ihres weltweiten Umsatzes in einem Risikosektor erzielen.
Obwohl meines Wissens bisher keine offizielle Reaktion der südkoreanischen Regierung erfolgt ist, sehe ich die Notwendigkeit eines intensiveren Austauschs zwischen beiden Ländern. Denn einige koreanische Unternehmen haben bereits Bedenken angemeldet. Die meisten wissen noch gar nicht, was auf sie zukommt: Eine Umfrage des Industrieministeriums ergab, dass nur 0,4 Prozent der Unternehmen sagen, sie seien „sehr gut vorbereitet“ und 10,4 Prozent, sie seien „etwas vorbereitet“.
Das EU-Lieferkettengesetz soll ein Zeichen dafür setzen, dass wir gemeinsam bestrebt sind, unsere werteorientierte Partnerschaft zu vertiefen und soziale und ökologische Grundstandards zu setzen.
8. Es wird ja immer von kulturellen Unterschieden gesprochen, haben Sie eventuell kulturelle Gemeinsamkeiten zwischen Korea und Deutschland finden können?
Das Spannende an Menschen und Kulturen sind doch die Unterschiede. Es wäre langweilig, wenn alle Länder auf der Welt gleich wären, die gleiche Geschichte und Kultur hätten. Doch gerade bei Korea können wir viele Gemeinsamkeiten mit Deutschland finden – wir stehen zu einer freiheitlich demokratischen Grundordnung. Wir verfolgen einen gleichen Wertekanon. Wir schätzen die globale Lage ähnlich ein – wollen ein Gegengewicht zu China und Russland. Wir haben mehr Gemeinsamkeiten, als wir denken. Und selbst beim Essen passen wir ganz zusammen: Wir Deutschen essen Sauerkraut, die Koreaner Kimchi und beide Nationen grillen offenbar sehr gern.
9. Angesichts der aktuellen Lage in Deutschland, sollte man Ihrer Meinung nach etwas an unserer Demokratie, wie wir sie kennen, verändern oder anpassen, um den Aufstieg des Rechtsextremismus aufzuhalten?
Eine Antwort darauf ist schwer. Unser demokratisches System hat Schwächen und ist nicht perfekt. Das merkt man gerade jetzt, wo es von rechts angegriffen wird. Doch jede Einschränkung – auch in guter Absicht – zieht Konsequenzen nach sich. Ich stehe zu dem Zitat von Nelson Mandela. Er sagte: „Demokratie ist nicht nur ein politisches System, sondern eine Lebensweise, die auf Respekt, Freiheit und Gleichheit basiert.“ Unsere Demokratie wird und kann nur bestehen, wenn wir alle an ihr arbeiten, sie verbessern und verteidigen. Nicht der Staat kann dieses Engagement vorschreiben oder per Gesetz verordnen – es liegt an jedem und jeder einzelnen von uns sich klar zu bekennen.
10. Während des Forums in Busan haben Sie viele junge Menschen kennengelernt, die sich für deutsch-koreanischen Beziehungen einsetzen. Was hat Sie an ihnen am meisten beeindruckt und haben Sie wichtige Ratschläge für sie?
Ich bin noch immer fasziniert, mit welchem tiefen Wissen, welcher Begeisterung und welchem Engagement die vielen Jugendlichen nach Koreas gereist sind. Ich habe die Panel-Diskussionen ja zum Teil mitverfolgen können und muss sagen, die Qualität und Tiefgründigkeit der Debatten, haben mich sehr beeindruckt. Mit welcher Selbstverständlichkeit junge Menschen aus verschiedenen Enden der Welt miteinander auf Englisch debattieren, lachen und gemeinsam Zeit verbrachten, hat mich wirklich begeistert. Ich hatte das Gefühl, dass unsere deutschen und koreanischen Jugendlichen genau wissen, wie ihre – wie unsere – gemeinsame Zukunft aussehen kann und was wir auf dem Weg dahin benötigen. Einen Ratschlag will ich gar nicht geben. Vielleicht einen Wunsch? Behaltet euch eure Offenheit und Begeisterung!