Projekt Beschreibung
Die Fragen stellte Paul Schönewald, Arbeitsgruppe „10 Fragen an” des Netzwerks Junge Generation Deutschland-Korea.
Hinweis: Die Äußerungen unserer Interviewpartner stellen deren Meinung dar und spiegeln nicht grundsätzlich die Meinung des Deutsch Koreanischen Forums e.V. oder des Netzwerks Junge Generation Deutschland-Korea wider.
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- Sie sind Filmregisseurin und Professorin für Künstlerischen Film und Bewegtbild. Wie entstand Ihr Interesse für das Thema Film? Wann setzten Sie sich damit erstmals auseinander?
Ich bin überhaupt ein sehr schaulustiger Mensch, das ist bereits seit Kindesbeinen an so. Später wurden Filme mein Hobby und letztendlich zur Leidenschaft. Dabei hätte ich nie gedacht, dass ich irgendwann selbst Filme drehen und davon leben würde. Dass ich Filmemacherin geworden bin, lag mehr am Mangel an Alternativen, als am eigenen Willen.
Nach dem Studium der Kunstgeschichte, der Medienwissenschaft und der Philosophie habe ich als Cutterin gearbeitet, um meinen Lebensunterhalt zu bestreiten. Das Schneiden von Filmen habe ich mir selbst beigebracht. Mit meinem damaligen Job war ich sehr zufrieden, denn nun hatte ich endlich eigenes Geld und konnte mir ab und an etwas leisten.
2002 verließ ich das Unternehmen jedoch und versuchte mich ab da an als freischaffende Editorin, hatte dabei jedoch wenig Glück. Wahrscheinlich hatte ich eine zu große Klappe und war als Cutterin zu kämpferisch und kompromisslos. Anschließend wollte ich mich für ein Weiterbildungsprogramm für Filmschnitt an der Internationalen Filmschule Köln bewerben. Im Endeffekt wurde ich abgelehnt, mit der Begründung, dass ich es besser als Regisseurin versuchen sollte und nicht als Cutterin. Das serielle Unglück von der Entlassung, über meine Arbeitslosigkeit und der letztendlichen Absage brachte mich dazu, selbst Regisseurin zu werden. Ohne diese Rückschläge und Herausforderungen, wäre ich heute weder Filmemacherin noch Professorin.
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- Sie sind in Busan geboren und gingen in den 1990er Jahren nach Deutschland. Wann und wie kamen Sie erstmals mit Deutschland in Berührung?
Deutschland war für bereits in meiner Kindheit präsent, da meine Mutter als Krankenschwester in Hannover arbeitete. Deutschland und die Abwesenheit meiner Mutter, standen für mich in einer engen Verbindung. Als ich fünf Jahre alt war, verließ meine Mutter Südkorea und kehrte erst vier Jahre später zurück. In diesen Jahren ersetzten Briefe in blauem Luftpostpapier und Spielzeuge aus Deutschland meine Mutter. Etwas Gutes hatte die Situation jedoch, denn weit und breit hatte ich die besten Spielzeuge. Solche waren in den 1970er Jahren eine wirkliche Besonderheit in Südkorea, denn es zählte damals zu den ärmsten Ländern der Welt. Als meine Mutter zurückkam, schwärmte sie von Deutschland: Sie erzählte von weißen Schwänen an Ufern, prächtigen Bäumen in Parkanlagen, freundlichen PatientInnen und den sehr fürsorglichen katholischen Schwestern… Als ich jedoch 2007 auf der Kinotour von Full Metal Village in Hannover ankam, war ich leicht erschüttert über das Grau, den Beton und die Graffitis.
Im Erwachsenenalter war die Berührung mit Deutschland das Goethe Institut in Seoul. Hier lernte ich deutsch und schaute mir ebenfalls deutsche Filme an. Das Goethe Institut Seoul fungierte in der damaligen Militär-Diktatur als eine geschützte Insel. Hier lasen wir deutsche Literatur und sprachen über den Sinn und Zweck von Gewerkschaften sowie über die Demokratie im Generellen.
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- Inwiefern hat Deutschland, beziehungsweise die deutsche Kultur, Ihr Leben und Ihre Arbeit beeinflusst?
In meiner Kindheit war Deutschland der Ort, an welchen meine Mutter zum Arbeiten ging. In der Jugend waren die Romane von Hermann Hesse, wie Unterm Rad und Siddhartha, präsent. Ich fand sie damals zum Weinen schön.
In der Studienzeit spielten die Bücher von Nietzsche und Schopenhauer eine wichtige Rolle für mich. Auch die Experimentalfilme der 20er Jahre, insbesondere die “Absoluten Filme” von Oskar Fischinger, Hans Richter, Walter Ruttmann und Viking Eggeling faszinierten mich. Die rhythmischen Bewegtbilder begeisterten mich dermaßen, dass mein Interesse von da an dem Film galt.
Zudem bin ich ziemlich pünktlich und lege großen Wert auf Disziplin und Zuverlässigkeit. Und wenn ich sehe, dass man Müll wegwirft oder nicht trennt, könnte ich durchdrehen.
Ich kann hier in Deutschland zudem ohne großen Erfolgsdruck arbeiten und kann dem folgen, was mein Herz mir sagt. Ich lebe hier relativ sparsam und bescheiden, das könnte mir in Südkorea schwer fallen…
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- Koreanische Filme sind in den letzten Jahren vermehrt in den internationalen Fokus gerückt. Was macht koreanische Filme Ihrer Meinung nach so besonders?
Koreanische Filme sind sowohl unterhaltsam als auch tiefsinnig und vielschichtig, anders als “deutsche Filme”. Diese sind entweder total flach und unterhaltsam, oder total tiefsinnig, zäh und langwierig. Koreanische Filme beziehen sich auf die Gesellschaft und die Probleme unseres alltäglichen Lebens, während deutsche Filme, für meinen Geschmack, sehr introvertiert rüberkommen: dargestellte Familien-, Beziehungsprobleme oder psychische Probleme lassen mich kalt.
- Worin liegen Ihrer Auffassung nach die größten Unterschiede zwischen deutschen und koreanischen Filmproduktionen?
Deutsche Filme sind Produkte der Subvention. Die MacherInnen riskieren keine Verluste, falls ihr Film floppt. Ganz anders ist es in Südkorea. Hier gibt es eine solche Subventionskultur und Filmförderung nicht. Viele gehen für ihren Film ein großes finanzielles Risiko ein. Daher achten sie sehr genau darauf, welche Geschichte sie wie erzählen.
- Im Jahr 2006 feierten Sie enormen Erfolg mit Ihrem Dokumentarfilm „Full Metal Village“, welcher sich mit dem Heavy-Metal-Festival in Wacken auseinandersetzt. Wieso suchten Sie sich damals genau diese Thematik aus? Was fasziniert Sie daran?
Ein Mal im Jahr strömen Heavy Metal Fans aus der ganzen Welt in ein beschauliches Dorf um zu feiern. Dabei entsteht kein großer Konflikt, sondern ein gemeinsames Fest und ein friedliches Miteinander. Diese Tatsache erschien mir wie eine gesellschaftliche Utopie.
Auf der koreanischen Halbinsel herrscht eine Kultur der Konfrontation und Feindseligkeit zwischen Süd und Nord. Auch innerhalb der südkoreanischen Gesellschaft vertragen sich die Menschen nicht immer, gerade wenn man andere Ansichten vertritt. Dass man die Heterogenität der Anderen anerkennt und akzeptiert, sollte die Basis und Voraussetzung des Zusammenlebens sein. Sowohl zwischenmenschlich als auch gesellschaftlich. Die Botschaft meines Films “Full Metal Village” ist mir sehr wichtig, auch wenn die Zuschauer dies nur latent spüren.
- Das Thema Nordkorea ist in Ihrer Filmografie allgegenwärtig. Was möchten Sie Ihren Zuschauern vermitteln?
Ein differenziertes Bild über Nordkorea und Anerkennung der Heterogenität und Toleranz gegenüber den Brüdern und Schwestern im Norden. Ich wünsche mir eine Versöhnung zwischen Süd- und Nordkorea und eine friedliche Koexistenz auf der koreanischen Halbinsel.
- Sie haben Nordkorea mehrmals besucht und durften dort vermehrt drehen. Wie ist es in einem so abgeschotteten Land zu filmen? Mit welchen Herausforderungen mussten Sie sich auseinandersetzen?
Insgesamt habe ich das Land neun Mal besucht. Ich habe stets darauf geachtet, die bestehenden Regeln zu respektieren und zugleich im Rahmen der Möglichkeiten das Maximum rauszuholen. Es war mir immer wichtig, den Menschen auf Augenhöhe zu begegnen und sie niemals von oben herab zu betrachten. Zugleich habe ich jedoch nicht alles akzeptiert, was in Nordkorea als Standard gilt. Auch habe ich nicht voreilig gehorcht, wenn mir etwas vorgeschrieben wurde. Stattdessen haben wir mit Anstand und Respekt diskutiert.
Beispielsweise sprachen wir darüber, ob es sinnvoll ist, dass konstant Aufpasser der Regierung beim Dreh anwesend sind. Ich sagte ihnen, dass die Protagonisten durch ihre Anwesenheit eingeschüchtert und wie Marionetten wirkten. Könnten wir in Ruhe drehen, seien die Darsteller entspannt und wirkten natürlich. Ich fragte damals, was wohl besser für ihr Vaterland sei? An diesem Punkt hatten sie kein Gegenargument und verließen den Drehort.
Die Kontrolle beim Dreh von Filmen ist jedoch ein Problem, welches es auch in Deutschland gibt. Auch hier musste ich bereits negative Erfahrungen machen.
- Sie kennen die deutsche und die Koreanische Gesellschaft sehr gut. Wo sehen Sie die größten Gemeinsamkeiten? Wo eventuelle Unterschiede?
Die größte Gemeinsamkeit ist die Klugscheißerei. Sie wissen es immer besser, da sind Koreaner und Deutsche gleich.
Die Unterschiede sind: die Deutschen lassen Dich in Ruhe, sowohl im positiven als auch im negativen Sinne. Während die Koreaner Dich nicht in Ruhe lassen, sowohl im positiven als auch im negativen Sinne 😉.
Koreaner fühlen sich mit den Deutschen sehr verbunden, besonders in Bezug auf die Teilung und Wiedervereinigung des Landes. Der Großteil der deutschen Bevölkerung tut dies meiner Meinung nach nicht und strebt auch keine besondere Rolle in der koreanischen Versöhnungspolitik an. Gelegentlich habe ich den Eindruck, dass die deutsche Politik sehr verhalten in Punkto Versöhnung und Wiedervereinigung auf der koreanischen Halbinsel auftritt. Das ärgert mich manchmal sehr.
- Woran arbeiten Sie aktuell? Worauf dürfen wir uns in Zukunft freuen?
Ich arbeite an einer fiktionalen TV-Serie für das CCTV (Choson Central TV, 조선중앙방송). Es soll die erste romantische Komödie in Nordkorea werden. Parallel dazu soll ein Dokumentarfilm als “Making of” entstehen, welcher zeigt, wie ich mit meinen Brüdern und Schwestern im Norden die erste nordkoreanische romantische Komödie drehe. Für dieses Projekt suchen wir aktuell noch Sponsoren.