Projekt Beschreibung
Die Fragen stellte Paul Schönewald, Arbeitsgruppe „10 Fragen an” des Netzwerks Junge Generation Deutschland-Korea.
Hinweis: Die Äußerungen unserer Interviewpartner stellen deren Meinung dar und spiegeln nicht grundsätzlich die Meinung des Deutsch Koreanischen Forums e.V. oder des Netzwerks Junge Generation Deutschland-Korea wider.
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- Sie leiten seit 2020 das Auslandsbüro der Konrad- Adenauer-Stiftung in Seoul. Worin bestehen die Aufgaben der Stiftung in Korea? Welche Ziele verfolgen Sie dabei?
Unser grundsätzlicher Auftrag ist die Förderung der Demokratie und der gilt für jeden unser über 100 Standorte im In- und Ausland. In unserem Leitbild heißt es: „Wir stärken mit unserer engagierten Arbeit die demokratischen und rechtsstaatlichen Kräfte und Institutionen in Deutschland, in Europa und in der Welt.“ Dabei richten wir uns aber natürlich auch nach den jeweiligen Interessen, Bedürfnissen und Entwicklungen im Land. Die Konrad-Adenauer-Stiftung engagiert sich bereits seit 1978 in Korea. Entsprechend vielfältig war der Wandel in unserer konkreten Arbeit. Zurzeit stehen unsere drei Kernthemen im Fokus: Sicherheit, Innovation und Repräsentation. Dazu suchen wir vor allem den Austausch mit unseren Wertepartnern – zu Fragen, die uns gleichermaßen bewegen: Welche Regeln braucht es in der internationalen Ordnung? Welche Rolle und Verantwortung müssen wir dafür übernehmen? Wie sollen sich unsere Gesellschaften entwickeln? Wie können wir diese Veränderungen gestalten? Wie können die Ideale und Werte der Demokratie heute und morgen funktionieren? Welchen Beitrag können wir als Einzelne, in Parteien und Zivilgesellschaft leisten und welche Entwicklungen braucht es dafür?
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- Woher stammt Ihr Interesse für die koreanische Halbinsel?
Ich bin Regionalwissenschaftler für Ostasien und habe mich vor allem mit den internationalen Beziehungen und regionaler Zusammenarbeit beschäftigt. Die kulturelle, wirtschaftliche, aber auch sicherheitspolitische Bedeutung dieser Region ist schon jetzt enorm und wächst weiterhin stetig. Gleichzeitig sind die Zusammenhänge in den einzelnen Staaten und zwischen ihnen extrem vielschichtig und erfordern genaue und lange Aufmerksamkeit. Die besondere Lage auf der koreanischen Halbinsel – die durch die Teilung auch eine einmalige Verbindung zu Deutschland enthält – ist mit vielen dieser regionalen und globalen Aspekte verknüpft und deshalb auch ein sinnbildlicher Brennpunkt. Hinzu kommt die faszinierende Gleichzeitigkeit von Tradition und Moderne, die Südkorea nicht nur durch seine rasante Entwicklung bietet.
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- Ende Mai empfing der US-amerikanische Präsident Joe Biden seinen südkoreanischen Kollegen Moon Jae In im Weißen Haus. Er ist der zweite ausländische Regierungschef, welchen Biden bisher empfing. Welches Signal möchten die USA Ihrer Auffassung nach damit senden? Welchen Stellenwert hat das Treffen für die Indo-Pazifik-Region?
Seit der Amtsübernahme durch Joe Biden und seine Administration machen die USA deutlich, dass man in Washington wieder stärker auf Bedürfnisse von Verbündeten eingehen möchte. Der Indo-Pazifik und damit Japan und Südkorea spielen dabei eine besonders wichtige Rolle. Die ersten Reisen von amerikanischen Kabinettsmitgliedern führten Außenminister Blinken und Verteidigungsminister Austin nach Tokyo und Seoul. Es folgten u.a. Treffen der Streitkräfte sowie ein Besuch der US-Geheimdienstdirektorin Haines in den Hauptstädten der beiden Verbündeten sowie in der Demilitarisierten Zone (DMZ). Das Gipfeltreffen zwischen Moon Jae In und Joe Biden setzte diese Linie fort. Für den Besucher aus Seoul beinhalteten die abschließende Pressekonferenz sowie die gemeinsame schriftliche Erklärung wichtige Zugeständnisse in Bezug auf Nordkorea. Doch ebenso deutlich sind auch Elemente, durch die das bilaterale Bündnis in den regionalen und globalen Kontext gerückt wird. Dazu gehören die Investitionen in Zukunftstechnologien, die Zusammenarbeit bei der Impfstoffproduktion und Bezüge auf das Südchinesische Meer, Taiwan oder die Bedeutung der Quadrilateralen Sicherheitskooperation zwischen Australien, Indien, Japan und den USA (Quad).
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- . Die Verkündung einer neuen US-Strategie bezüglich Nordkoreas hat vor allem in Korea für große Aufmerksamkeit gesorgt. Gibt es bereits Hinweise darauf, was sich ändern könnte? Wie wurde diese innerhalb der koreanischen Bevölkerung aufgefasst?
Auch in der Politik der USA gegenüber Nordkorea verschieben sich durch die Amtsübernahme von Joe Biden entscheidende Koordinaten. Zunächst macht der angekündigte und geordnete Prozess zur Neuausrichtung einen wichtigen Unterschied zu den letzten vier Jahren aus. Die Herangehensweise erscheint systematischer. Das spricht auch für mehr Berücksichtigung anderer Perspektiven, eben besonders von Verbündeten: die Zwischenstände der U.S. Policy Review waren Gegenstand der Gespräche mit Seoul und Tokyo, aber auch beim Fragen 21-06-17 Interview Netzwerk Junge Generation Deutschland und Korea 210358946 Seite 2/3Treffen der G7-Außenminister. Eine Fortsetzung der Gipfeldiplomatie von Donald Trump wird es nicht geben, denkbar wären solche Treffen auf höchster Ebene nur unter klaren Vorbedingungen und mit ausreichend vorbereiteten Grundlagen. Andererseits werden einzelne Aspekte wie die Gipfelerklärungen von Singapur und Panmunjom nicht verworfen und Gesprächsangebote Richtung Pjöngjang als Zeichen gesetzt, dass auch keine Rückkehr zur strategischen Geduld vorgesehen sei. Auf diesen Anzeichen basiert die positive Resonanz der Südkoreaner, die weiter auf eine konstruktive Reaktion aus dem Norden hoffen. Eine Rückkehr zur Grundstimmung Zuversicht von 2018 erscheint aber weder erkennbar noch angemessen.
- Die Rivalität zwischen den USA und China hat sich in den letzten zwei Jahren zugespitzt und ist schon längst kein rein wirtschaftlicher Konflikt mehr. Welche Folgen hat die aktuelle Situation für Korea? Auch vor dem Hintergrund als enger Verbündeter der USA?
Die Beziehungen zur Volksrepublik China haben für die USA zurzeit und zunehmend überragende Bedeutung. Dessen müssen sich insbesondere die Alliierten im Indo-Pazifik wie in Europa bewusst sein. Korea sieht sich einem steigenden Druck ausgesetzt, zwischen den beiden Großmächten zu wählen. Die USA sind als Verbündeter überlebenswichtiger Sicherheitsgarant und ein Dreh- und Angelpunkt südkoreanischer Außen- und Sicherheitspolitik. Natürlich spielen auch die Wirtschafts- und Investitionsbeziehungen mit den USA eine große Rolle. Dies gilt allerdings auch für China, das Koreas wichtigsten Handelspartner darstellt und zudem eine wichtige Rolle im Geflecht auf der Halbinsel und in der Region spielt. Mit der Zuspitzung auch nach dem Regierungswechsel im Weißen Haus erscheint eine Fortsetzung strategischer Ambiguität, die historisch und bis dato ratsam gewesen sein mag, für Seoul zunehmend schwierig. Statt sich zwischen den Rivalen zerreiben zu lassen oder nur anzuschließen, sollte Korea eine Strategie wählen, die gleichsam seine Werte und nationalen Interessen spiegelt.
- Präsident Moon Jae In hat den Dialog mit Nordkorea maßgeblich vorangetrieben. Aktuell befindet er sich in seinem fünften und letzten Amtsjahr. Bisher wurden jedoch keine konkreten Fortschritte hinsichtlich der Umsetzung der „Panmunjom Declaration“ aus dem Jahr 2018 zwischen Nord- und Südkorea erzielt. Was ist diesbezüglich seitens der aktuellen südkoreanischen Regierung noch zu erwarten?
Der Wille und die Bereitschaft der aktuellen südkoreanischen Regierung, sich um eine Verbesserung der innerkoreanischen Beziehungen zu bemühen, scheint außer Frage zu stehen. Vielmehr sieht sich Moon Jae In wiederholt Vorwürfen ausgesetzt, zu viele Angebote und Zugeständnisse zu machen. In der gemeinsamen Gipfelerklärung mit Joe Biden und öffentlichen Stellungnahmen der US-Regierung wurde jedoch ausdrücklich auch die Erklärung des innerkoreanischen Gipfels aufgenommen. Gleichzeitig ist deutlich, dass der Kompromissbereitschaft gegenüber Pjöngjang in Washington, zum Beispiel aber auch unter den G7-Staaten, klare Grenzen gesetzt sind und die USA den sprichwörtlichen Ball im Feld der Nordkoreaner sehen. Aus deren Sicht fällt die neue US-Politik allerdings hinter den Erwartungen zurück und das Interesse an Angeboten aus Seoul ist wohl bestenfalls begrenzt. Schnelle Fortschritte noch im Laufe der Amtszeit von Moon Jae In scheinen insofern wenig wahrscheinlich.
- Im April reiste erstmals seit 2017 ein südkoreanischer Außenminister nach China. Dabei forderte die koreanische Delegation im Rahmen des Treffens Unterstützung im koreanischen Friedensprozess. Was ist Ihres Erachtens nach hierzu seitens der chinesischen Führung zu erwarten?
Chinas Interessen auf der koreanischen Halbinsel scheinen zum Dilemma zu führen. Auf der einen Seiten leidet das Image der Volksrepublik weltweit unter ihrem aggressiven Vorgehen in der Nachbarschaft und weit darüber hinaus. Insofern wäre Peking gut beraten, eine verantwortungsvolle Rolle zu übernehmen und seinen Beitrag zu den Friedensbemühungen in Korea zu leisten. Andererseits bleiben China und Nordkorea ihre gegenseitig einzigen Verbündeten. Beide teilen das Interesse an einer Schwächung der Allianz zwischen Südkorea und den USA, sowie eine Abneigung gegenüber einem Ausbau der Verteidigungsfähigkeiten Seouls oder gar der Perspektive eines wiedervereinigten Koreas im Bündnis mit Washington. Zurzeit ist China wohl eher dabei, den isolierten Norden mit einer graduellen Rückkehr zum Handel am Leben zu halten. Anzeichen für eine chinesische Bereitschaft zu ernsthaftem Engagement im Friedensprozess sind sehr begrenzt.
- Südkoreanische Unternehmen sind globaler Marktführer in der Herstellung von Halbleitern. Europa und Deutschland sind in der Produktion weit abgeschlagen und probieren dies nun mithilfe einer „Chip-Allianz“ und dem Ausbau der eigenen Produktion aufzuholen. Was können Europa und Deutschland diesbezüglich von Korea lernen?
Deutschland verfügt unverändert über ausgezeichnete Forschung. Die atemberaubend schnelle Entwicklung eines Impfstoffs gegen COVID-19 hat das u.a. gezeigt. Außerdem ist unsere Industrie, unser weltberühmter Mittelstand beeindruckend innovativ. Allerdings fehlen in den Wirtschaftszweigen der Zukunft die großen globalen Player aus Deutschland und Europa. Entsprechend schwer fällt es uns, das Risikokapital für herausragende Innovationen bereitzustellen. Das ist auch eine Frage der Mentalität und die stellt sich ebenso am anderen Ende, bei den Konsumenten. Die deutsche Zurückhaltung beim Einsatz von neuen Technologien ist beinahe ebenso berüchtigt wie die Diskurse und bürokratischen Hürden, die einem Ausbau unserer digitalen Infrastruktur oftmals selbstverschuldet im Wege stehen. In Korea erscheint die Entwicklung dagegen am Puls der Zeit – oder sogar einen Schritt voraus: die Marktführerschaft der Konglomerate bei Halbleitern ist ein zentrales Beispiel, ein weiteres ist die Vorreiterrolle durch kommerzielle Einführung von 5G vor über zwei Jahren!
- Was wünschen Sie sich persönlich für die zukünftige Beziehung zwischen Deutschland und Korea?
Mir scheint, dass Korea durch die wachsende Popularität seiner Kultur und den beeindruckenden Erfolg im Kampf gegen die Pandemie weltweit mehr und mehr Aufmerksamkeit erhält. Ich glaube, das können und sollten wir auch nutzen, um die Beziehungen zwischen unseren Ländern weiter zu vertiefen. Selbstverständlich sollten wir den Austausch zu den deutschen Erfahrungen der Teilung und Wiedervereinigung unseres Landes fortsetzen. Das deutsche Interesse an der Lage Koreas begründet sich aber nicht nur aus der Geschichte. Die Teilung der Halbinsel bleibt für sich ein anachronistischer und auf Dauer unhaltbarer Zustand. Gleichzeitig müssen wir die gemeinsamen Werte und Interessen unserer Länder auch zur Grundlage für eine fortlaufende thematische Ausdehnung des Austauschs und der Zusammenarbeit machen. Wir stehen in globalen, regionalen und nationalen Fragen, in Wirtschaft, Politik und Gesellschaft vergleichbaren Herausforderungen gegenüber. Wir haben von der regelbasierten internationalen Ordnung profitiert und müssen uns gemeinsam für deren Erhaltung einsetzen. Südkorea gehört inzwischen zu den zehn größten Volkswirtschaften der Welt, immer wieder landet es für seine Innovationskraft auf den höchsten Plätzen internationaler Ranglisten und schon lange spielt es in Zukunftsthemen eine zentrale und gestaltende Rolle. Die aktuellen Umbrüche auf der Welt bedeuten die Chance und Aufgabe, sich bei der Neuordnung und Festlegung der Spielregeln einen Platz am Tisch zu sichern – auch für Deutschland und Korea.
- Welche Möglichkeit gibt es für interessierte junge Menschen sich bei der KAS Korea zu engagieren?
In unserer Arbeit geht es um den Dialog und das Gespräch. Unsere Türen stehen immer offen – bildlich und wörtlich. Mit E-Mails, Nachrichten und Anrufen kann man uns über unsere Homepage, Instagram, Facebook oder YouTube erreichen. Ich würde mich freuen, wenn sich junge Menschen für einen Meinungsaustausch interessieren. Die Möglichkeit dazu bieten auch unsere Veranstaltungsformate, zurzeit vor allem virtuell bzw. hybrid. Sobald die Umstände es zulassen, hoffe ich aber auch wieder auf viele persönliche Treffen. Wem das nicht reicht, der kann sich auch für ein Praktikum bei uns bewerben und so einen genaueren Einblick in unsere Arbeit gewinnen.