ein Bericht von Louis Cho

Der nächste Tag begann für uns extrem früh. Bereits um 6 Uhr morgens fuhren wir los, um rechtzeitig den Tour-Bus in die DMZ (Demilitarized Zone) zu erwischen. Unsere Reiseführerin, Nancy, entschuldigte sich dafür, aber da wegen Corona nur eine sehr begrenzte Anzahl von Bussen pro Tag überhaupt in die DMZ fahren durften und die Tickets vor Ort in Imjingak „first-come, first serve“-Prinzip verteilt wurden, hatte Nancy die Abfahrt in der Nacht zuvor kurzfristig vorverlegt. Am Park Imjinjak erhielt unser Bus dan tatsächlich ein Ticket. Hierher fahren südkoreanische Zivilisten, um möglichst nah heran an Nordkorea zu kommen. Näher als bis zu diesem Punkt kommen sie nicht.

Auf unser Ticket- in die DMZ wartend, frühstückten wir zunächst in Imjingak. Im Park gibt es nicht nur eine Brücke, die nach Noreakorea führt und eine im Koreakrieg stark beschädigte Dampflokomotive, hier gibt es auch einen kleinen Vergnügungspark. Dieser sei für die vielen Kinder, deren Familien an diese „letzten Ort vor Nordkorea“ kommen, um ihrer Angehörigen zu gedenken. Diese pragmatische, kommerzialisierende Haltung gegenüber diesem Ort, der im Wesentlichen eine große Erinnerungsstätte für den Koreakrieg uns dessen Folgen ist, überraschte uns etwas. Sie passte allerdings recht gut zum Rest der Tour, auf die wir uns begaben. Als die DMZ um 9.00 Uhr dann für vier Busse mit Touristengruppen „geöffnet“ wurde, stiegen wir alle wieder in den Bus ein, und Nancy erklärte uns nochmal die Verhaltensregeln. Sich auf keinen Fall allein und auf eigene Faust von der Gruppe entfernen, den Reisepass unbedingt immer dabei haben, keine Fotos beim Übergang in die DMZ. Als Gruppe erhielt unser Tour-Bus den Namen ‘Team Nancy’. Diesen übernahmen wir für gleich auch als Team-Namen für den Rest der Studienreise und reagieren auch heute noch in unserer Kommunikation auf ihn.

Bei der Einfahrt in die DMZ waren Straßenblockaden sowie koreanische und amerikanische Soldaten omnipräsent. Ebenso gegenwärtig war uns jedoch, dass wir uns in einem Touristenbus mit einer Reiseleiterin an diesem Ort befanden. Dieser Kontrast der Haltungen gegenüber der DMZ führte dazu, dass ich die DMZ ein wenig wie ein Safari in Erinnerung habe. Wir waren in einer wilden Region, jedoch fühlte ich mich nie wirklich in Gefahr, und es wurde immer wieder sehr deutlich, wie sehr die Tour auf den Geschmack, die Bedürfnisse und Erwartungen von internationalen Touristen ausgerichtet war. Wir hielten daher nicht nur an einem ‘Observatorium’, von dem aus wir trotz Regens einen Blick auf die nordkoreanische Stadt Kaesong werfen konnten, sondern auch an mehreren Souvenirläden. Hier wurde  z. B. DMZ-Reis, DMZ-T-Shirts und DMZ-Kaffeetassen verkauften. Außerdem besichtigten wir einen der fünf bisher entdeckten „Infiltrationstunnel“, die nordkoreanische Soldaten gegraben hatten um unentdeckt Truppen und Material nach Südkorea einzuschleusen. Durch diesen Tunnel konnten nun wir geografisch tatsächlich 170 Meter in die nordkoreanische Seite der DMZ gelangen.

Auf dem Weg zurück waren wir alle sehr müde. Im Bus konnte ich sogar kurz einschlafen. Wir aßen gemeinsam in einer koreanischen Garstube an der Gungdeok-Station unser Mittagessen, dann ging es direkt weiter zum „National War Memorial“.

Am Eingang wehen die Flaggen all derjenigen Länder, die die Republik Korea während des Koreakriegs unterstützt hatten. Auch die deutsche Fahne. Daneben sind Flugzeuge, Panzer und Schiffe aus dem Krieg aufgestellt, in denen Kinder spielen. Wir interessierten uns aber natürlich vor allem dafür, was Innen im  Museum ausgestellt war. Nicht unerwartet waren die Ausstellungen ziemlich nationalistisch, wenig um Subjektivität bemüht und sehr emotional. Wir trafen im Inneren einen älteren Herren, der uns spontan eine Führung gab, der sich so leicht auch nicht abwimmeln ließ. Unser Gesamteindruck wurde jedoch auch davon geprägt, was wir nicht zu sehen bekamen. Wie beispielsweise Massaker an südkoreanischen Kommunisten noch vor dem Ausbruch des Koreakrieges.

Am Abend waren wir in einem koreanischen Restaurant mit Mitgliedern und Freunden der Citizens’ Alliance for North Korean Human Rights verabredet. Sie hatten uns zu einem „Pajeon und Makoli“-Abend eingeladen. Hier trafen wir nun also auf junge Menschen, die zwar in Nordkorea geboren wurden, die Flucht in den Süden jedoch geschafft hatten, sich nun in Südkorea neu orientiert und ein zweites Leben begannen. Für uns waren diese Gespräche, die sich bis tief in die Nacht zogen, unglaublich spannend und persönlich bereichernd.