ein Bericht von Louis Cho

Am 17. begannen wir unseren Tag mit einem „Frühstück auf dem Weg“. Koreanische Bäckereien sind etwas anders als deutsche: das Brot ist generell viel weicher, und die meisten Produkte sind einzeln in Plastik verpackt. Persönlich fand ich die Backwaren durchaus lecker, aber es gab auch andere Stimmen.

Rechtzeitig zur Öffnung des Museums standen wir vor der Tür des „War and Women’s Human Rights Museums“. Hauptthemen hier waren die Zwangsprostitution von koreanischen Frauen während des 2. Weltkrieges (als sog. “Trostfrauen”) sowie der Kampf um die Anerkennung des geschehenen Unrechts als Kriegsverbrechen. Die Angelegenheit ist bis heute höchstens kontrovers und eines der Hauptprobleme der heutigen japanisch-koreanischen Beziehungen. Es leben nämlich noch Augenzeugen, und auf koreanischer Seite überwiegt das Sentiment, dass die japanische Regierung sich nicht ausreichend und aufrichtig entschuldigt habe. Trotzdem fand ich das Museum äußerst informativ und umfassend; die Ausstellungen thematisierten viel eher das Leid der Frauen, aber auch, den unglaublichen Mut und die Tapferkeit, die diese unfassbar starken Frauen aufbrachten, um sich überhaupt öffentlich zu den ihnen widerfahrenen Gräueltaten zu äußern. Ein interessanten Gegensatz zum „War Memorial Museum“ fiel uns auf, dass am selben Ort auch eine Sonderausstellung zu den Kriegsverbrechen koreanischer Soldaten im Vietnam-Krieg gezeigt wurde, auf die die Mitarbeiter ausdrücklich hinwiesen.

Im Anschluss stand  kein weiteres Museum, sondern ein Vortrag und eine Diskussion mit Lee Sung-ju, einem jungen aus Nordkorea geflüchteten Wissenschaftler und Autor  auf dem Programm. In seiner Promotion beschäftigt er sich derzeit damit, die Möglichkeiten neuer Technologien – wie etwa dem Metaverse – für Versöhnung und Frieden auf der koreanischen Halbinsel zu nutzen und einzusetzen sind. Außerdem redete er über seine ganz persönlichen Erlebnisse in Nordkorea und seinen Weg nach Südkorea.

Danach brachen wir auf zum nächsten Zeitzeugen-Gespräch. Wir trafen diesmal einem Theologen, Dr. Joo Wonjun, nahe der Kathedrale von Myeong-dong. Dr. Joo hatte an diesem geschichtsträchtigen Ort an dem sogenannten „Juni-Aufstand“ teilgenommen, der im Jahr 1987 endlich den Beginn der südkoreanischen Demokratie herbeiführte. Er erzählte uns von seinen persönlichen Erfahrungen dieser Zeit und dieses Ortes und natürlich auch die Myeong-dong-Kathedrale selbst. Sie ist ein Zentrum der südkoreanischen Demokratiebewegung, in der die Demonstranten Kirchenasyl genossen und durch Schwestern, Priester, Gläubige und nicht zuletzt den 2009 verstorbenen Kardinal „Stephen“ Kim Sou-hwan,  geschützt und versorgt wurden. Ein wichtiger Ort des Juni-Aufstands und der Demokratiebewegung an sich. Persönlich sprach Dr. Joo mit mir auch viel über die Vergleiche, die er zwischen Deutschland und Korea zog. Er selbst kennt Deutschland, die Deutschen und die deutsche Sprache sehr gut, da er in Würzburg studierte.  Gemeinsam gingen wir an diesem Abend zum Essen. Danach zeigte er uns auch Orte, an denen er damals mit anderen Protesten die Politik diskutierte. Von außen war das Lokal noch zu erkennen, aber es war geschlossen und hat, so der Anschein, die Corona-Krise nicht überlebt.