ein Bericht von Louis Cho

Am Morgen hatten wir zwar theoretisch ein wenig Freizeit, jedoch reichte die Zeit bei den meisten von uns kaum dazu, um mehr als einen kurzen Supermarkt-Besuch zu absolvieren. Unsere Reise und das Programm war so eng getaktet.

Erster Programmpunkt an diesem Sonntag war der Besuch im  ehemaligen „Seodaemun-Gefängnis“, das erst Ende der 80er-Jahre  zu einer Gedenkstätte umgestaltet wurde. Primär wurden hier während der japanischen Kolonialzeit politische Haftlinge inhaftiert. Einige Ausstellungen waren den grausamen Lebensbedingungen im Gefängnis gewidmet. Andere Teile des Museums wiederum waren eher für die triumphalistischen Anerkennung von Unabhängigkeits- und Demokratiekämpfern gedacht. Dass hier im Gefängnis aber auch noch lange nach der japanischen Kolonialzeit gefoltert und gemordet wurde, wurde nicht verschwiegen, stand aber weniger im Fokus.

Seoul war zwar das Zentrum der südkoreanischen Demokratiebewegung, aber bei einer Studienreise zu Demokratie in Korea darf ein Besuch in der südwestlichen Stadt Gwangju nicht fehlen. Diese war nämlich Ort zahlreicher Aufstände, sowohl gegen die japanische Kolonialherrschaft Koreas als auch im Kampf gegen südkoreanische Diktaturen. Der bekannteste unter diesen ist der sog. Gwangju-Aufstand, oder der auch der „Aufstand des 18. Mai“. Nach dem Staatsstreich von Chun Doo-hwan besetzten Hunderttausende Bürger die Stadt und bildeten eine spontane Selbstvertretung. Allerdings endete der Aufstand in einer Tragödie, als Fallschirmjäger in die Stadt einmarschierten und Zivilisten massakrierten.

Wir reisten mit dem KTX, dem koreanischen Hochgeschwindigkeitszug, nach Gwangju. Zunächst beschäftigten wir uns jedoch weniger mit dem Status der Stadt als weltweites Symbol der Demokratie, sondern mehr unsere Mägen und die Suche nach unserer Unterkunft und gutem lokalen Essen. Wir waren für eine Nacht in einem Hanok, einem traditionellen koreanischen Haus, untergebracht. Dieses Erlebnis war für uns unvergesslich: Im Gegensatz zum Betondschungel Seouls war das Haus einstöckig und aus Holz. Wir schliefen auf dem Boden, und zum Frühstück wurden uns Enteneier serviert (ich fand sie ziemlich lecker!). Meistens sind Hanoks heute jedoch keine Überresten einer vergangenen Zeit, sondern Rekonstruktionen. Dementsprechend hatten alle Zimmer große Fernseher. und es gab einen Kühlschrank. Trotzdem hat sich das Erlebnis für mich auf jeden Fall gelohnt.

Gwangju ist außerdem berühmt in Korea für besonders leckeres Essen. Wir fanden daher an diesem Abend ein traditionelles Restaurant und aßen dort die lokale Spezialität tteokgalbi. Ich kann es nur weiterempfehlen! Danach gingen wir zum Hanok zurück und schauten als Vorbereitung für den nächsten Tag den koreanischen Film „A Taxi Driver“. Ein international durchaus beachteter Film zum Gwangju-Aufstand, in dem es um den deutschen Journalisten Jürgen Hinzpeter geht, der die schrecklichen Massaker der Militärregierung vor Ort filmte und die Filmrollen in einer Keksdose ins Ausland schmuggelte, so dass die Welt und auch Korea sah, was im hermetisch abgeriegelten Gwangju tatschlich geschah.