Geschichtsbücher mögen die deutsche Wiedervereinigung vom 03. Oktober 1990 als historisches Ereignis abbilden, doch die lebendigen Erzählungen unserer Eltern, Lehrer und Großeltern lassen uns spüren, wie tiefgreifend dieses Ereignis ihr Leben geprägt hat. Für die etwa 50 Jugendlichen aus ganz Deutschland, die vom 01. bis 03. September in Dresden am Workshop „Was war, was ist, was darf’s denn sein“ teilnahmen, war die Wiedervereinigung in Deutschland ein diskussionswürdiger Ausgangspunkt, um über die mögliche Wiedervereinigung von Nord- und Südkorea in Zeiten des Wandels zu sprechen.

Der Workshop, der vom Netzwerk Junge Generation Deutschland-Korea organisiert wurde, setzte sich zum Ziel, die persönlichen Erfahrungen und Einschätzungen der Teilnehmerinnen und Teilnehmer hervorzuheben und sie in den Dialog mit Experten und Zeitzeugen aus Deutschland und Korea zu bringen. Die Geschehnisse aus Deutschland könnten eines Tages auch für Korea relevant sein, wo die Meinungen zur möglichen Wiedervereinigung stark variieren. Die ältere Generation der Koreaner:innen hegt oft noch starke Verbundenheitsgefühle und Sehnsucht nach verlorenen Wurzeln und Familienbanden, während die Jüngeren die damit verbundenen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Herausforderungen in den Vordergrund stellen.

    

In Korea verfolgt man aufmerksam das deutsche Modell der Wiedervereinigung und die damit einhergehenden Transformationsprozesse von Staat und Gesellschaft. Doch anders als in Deutschland, wo die Vereinigung eine friedliche Realität wurde, steht das „West schluckt Ost“-Modell in Korea nicht zur Debatte. „Die Transformation von einer Diktatur zur Demokratie, die Deutschland mehrfach durchlebte, ist ein langer und anspruchsvoller Weg, der auch heute noch bedeutende Herausforderungen birgt. „Eine mögliche Wiedervereinigung Koreas benötigt Zeit“, sagt auch Zae-Young Ko als Teilnehmer und Vertreter der Generation-Z Koreaner zur Wiedervereinigung. Prof. Eun-Jeung Lee, Leiterin des Korea-Institut der Freien Universität Berlin, ergänzte hierbei, „es ist wichtig, dass sich die Völker auf einen gemeinsamen Nenner einigen, um ein gemeinsames Korea zu bilden“

Die jungen Erwachsenen, die an unserem Workshop teilgenommen haben, sind die wahren Experten dieser Transformation, nicht nur Objekte, sondern Träger des Prozesses. Ihre Meinungen und Erfahrungen könnten für junge Koreanerinnen und Koreaner, die sich mit ähnlichen Fragen konfrontiert sehen könnten, „von unschätzbarem Wert sein“, sagte Johannes Klausa, Projektleiter des Netzwerks junge Generation Deutschland und Korea.

   

Gemeinsam mit dem Vorsitzenden des Deutsch-Koreanischen Forums, Herrn Staatsminister Martin Dulig, und weiteren Gästen aus beiden Ländern konnten so die historischen Ereignisse in verschiedenen Gesprächsrunden und offenen Formaten für die Wiedervereinigung Koreas weiter erörtert werden.

Besonders die persönlichen Erfahrungen der Teilnehmerinnen lassen einen besonders praktischen Blick auf die Wiedervereinigung Deutschlands zu. Jens Jungmann,

   

Pressesprecher der sächsischen Wirtschaftsministerium, verdeutlichte die Notwendigkeit der Würdigung der sozialen Identität nach der Wiedervereinigung. „Wir haben im Osten eine Generation gehabt, welche nie gelernt hat, wie Demokratie funktioniert, wie Wahlen funktionieren, wie die Gesellschaft funktioniert und wie Medien funktionieren, das ist nicht ausreichend.“ Dies verdeutlicht die Notwendigkeit eines offenen und kontinuierlichen Dialogs zwischen den Volksgruppen, aber auch, „dass jeder einzelne mit seiner eigenen Geschichte wahrgenommen wird“, so StM Martin Dulig.

In einer Welt, in der Verständnis, Vertrauen und Respekt die Basis jeder Freundschaft sind, sind solche Beziehungen auch zwischen Ländern von entscheidender Bedeutung. Das Deutsch-Koreanische Forum (DKF) und das Juniorforum (DKJF) arbeiten gemeinsam an der Stärkung der bilateralen Beziehungen und erarbeiten Empfehlungen für beide Regierungen. Das Netzwerk Junge Generation Deutschland-Korea, gefördert durch das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, widmet sich das ganze Jahr über aktuellen deutsch-koreanischen Fragen aus Sicht der jungen Generation, organisiert Veranstaltungen, bilateralen Austausch und Begegnungen und gibt so der jungen Generation beider Länder eine Stimme.

Die junge Generation Deutschlands und Koreas ist aufgerufen, sich gemeinsam den Herausforderungen des 21. Jahrhunderts zu stellen, voneinander zu lernen, sich kennenzulernen und zu verstehen. Dies schafft ein solides Fundament für die deutsch-koreanischen Beziehungen, das auch in Zukunft Bestand haben wird.