(Von Philipp Meyer)
Professor Lee Jung-hoon ist Professor für Internationale Beziehungen und gleichzeitig Dekan an der Graduate School of International Studies der renommierten Yonsei University in Seoul. Zuvor hatte er wichtige Positionen in der südkoreanischen Regierung inne, darunter die des Botschafters für Menschenrechte sowie des Sonderbotschafters für Nord-koreanische Menschenrechte.
Um Südkoreas Positionierung in den multilateralen Beziehungen genauer nachvollziehen zu können, ist ein thematischer Fokus auf seine internationale Außen- und Sicherheitspolitik unerlässlich. Um einen qualifizierten Einblick in diese Materie zu bekommen, traf sich die Delegation mit Professor Lee Jung-hoon, welcher an der renommierten Yonsei University den Lehrstuhl für Internationale Beziehungen innehat.
Südkorea hat in seiner Außen- und Sicherheitspolitik stets einen schwierigen Balanceakt zu meistern, der nicht zuletzt durch die innerkoreanische Teilung sowie die daraus resultierende geografische Isolation nahezu einzigartig auf der Welt ist. Ein Schlüsselaspekt dieses Balanceakts ist die Nordkorea-Politik, die je nach Schwerpunkt des südkoreanischen Präsidenten zwischen Annäherung und Abschottung variiert. Angesichts des Atomprogramms und der wiederholten Raketentests Nordkoreas besteht eine ernsthafte Sicherheitsbedrohung für Südkorea.
Eine weitere Herausforderung besteht darin, die Interessen der beiden wichtigsten internationalen Partner Südkoreas, den USA und China, zu berücksichtigen. Die USA sind seit dem Koreakrieg der Garant für die Sicherheit Südkoreas und sein wichtigster internationaler Verbündeter. Gleichzeitig spielt China als bedeutendster Handelspartner eine entscheidende wirtschaftliche Rolle. Insbesondere angesichts des zunehmenden Wettbewerbs zwischen den beiden Nationen diskutierten wir dieses Thema ausführlich mit Professor Lee. Er unterstrich die Notwendigkeit des Balanceakts zwischen den beiden Ländern, wie es deutlich am THAAD-Vorfall von 2016 zum Ausdruck kam. In dieser Angelegenheit ging es um die Installation des amerikanischen THAAD-Raketenabwehrsystems, auf die China mit spürbaren wirtschaftlichen Sanktionen gegenüber Südkorea reagierte. Dennoch betonte Professor Lee, dass bei der Bewertung dieses Balanceakts Vorsicht geboten ist, wenn es darum geht, China auf die gleiche Stufe wie die USA zu stellen. Im Hinblick auf die Zukunft plädiert Professor Lee indes für ein verstärktes trilaterales Bündnis mit den USA und Japan und eine Expansion des koreanisch-japanischen Verhältnisses. Allerdings gestaltet sich die Zusammenarbeit der beiden Länder aufgrund der historischen Spannungen immer noch als anspruchsvoll.
Abschließend konnten wir dank Professor Lees Expertise einen tiefen Einblick in die Struktur der nordkoreanischen Außenpolitik gewinnen. In diesem Kontext spielt die Rolle Chinas eine entscheidende Rolle, da Nordkorea weiterhin stark von China abhängig ist. Des Weiteren erweist sich die staatliche Finanzpolitik und die Devisengenerierung Nordkoreas als überaus undurchsichtig und folgt zweifelhaften Methoden.
Insgesamt war der Gesprächstermin zwischen der Delegation und Professor Lee von einem informativen, aber vor allem auch intensiven Austausch geprägt, der einen bleibenden Eindruck bei allen Teilnehmenden hinterließ.