Projekt Beschreibung

Die Fragen stellte Paul Schönewald, Arbeitsgruppe „10 Fragen an” des Netzwerks Junge Generation Deutschland-Korea

Hinweis: Die Äußerungen unserer Interviewpartner stellen deren Meinung dar und spiegeln nicht grundsätzlich die Meinung des Deutsch Koreanischen Forums e.V. oder des Netzwerks Junge Generation Deutschland-Korea wider.

1. Welche Position nehmen Sie innerhalb des Deutsch-Koreanischen Forums e.V. ein und welche Aufgaben gehören dazu?

Ich gehöre zum Organisationsteam. Vor allem wenn das DKF in Deutschland stattfindet ist viel Arbeit angesagt. Das geht vom Einladungsmanagement, Suchen geeigneter Örtlichkeiten für die Tagung, Hotel bis hin zu Überlegungen, welches Rahmenprogramm geeignet ist, und dann natürlich die Umsetzung selbst.

2. Was sind Ihrer Meinung nach die wichtigsten Ergebnisse des Deutsch-Koreanischen Forums der letzten Jahre?

Das Wichtigste ist m.E., dass das Juniorforum zu einem festen Bestandteil des Forums geworden ist. Das ist wichtig, dass sich nicht nur Dinosaurier und Auslaufmodelle, zwar mit viel Erfahrung, aber in der Regel mit wenig Erneuerungspotential treffen, sich austauschen und die deutsch-koreanischen Beziehungen weiterführen.

3. Sie sind in Seoul geboren und in Deutschland groß geworden. Wie war es für Sie zwischen beiden Kulturen aufzuwachsen?

Ich habe es stets als bereichernd empfunden. Ich habe schon als Jugendliche gedacht: wie super, dass ich so viel kenne, dass ich in zwei Kulturen zuhause bin. Ich hatte in der kleinen Stadt, in der ich als kleines Kind von Korea kommend, bis zum Abitur verbracht habe, nie das Gefühl gehabt, wegen meiner Herkunft anders behandelt zu werden. Aber ich hatte natürlich das große Glück, dass auch meine Eltern in der Gesellschaft dort anerkannt waren und ich eine deutsche Oma hatte, die humanistisch gebildet, mir die ganze abendländische Kultur nahegebracht hat.

4. Sie haben in München Germanistik studiert, der Studiengang ist auch in Südkorea nach wie vor sehr beliebt. Wie erklären Sie sich das große Interesse?

Deutschland war für Korea lange Zeit, vielleicht in manchen Belangen bis heute, Vorbild. Der Krieg, die damit verbundene Teilung – darin sahen die Koreaner Parallelen zu ihrer eigenen Geschichte. Sie bewunderten das Wirtschaftswunder vom Rhein und wollten, was sie ja auch geschafft haben, das Wirtschaftswunder vom Han. Deshalb wollten viele Deutsch lernen. Gerade in den 80er Jahren war Germanistik in Korea sehr beliebt. Heute nimmt das Interesse ein wenig ab. Andere Länder, bzw. Märkte, insbesondere China sind für Korea wichtig und natürlich wie überall auch, sind Englischkenntnisse mittlerweile fast obligatorisch.

5. Da Sie beide Nationen sehr gut kennen. Worin bestehen Ihrer Auffassung nach die größten Gemeinsamkeiten?

Gemeinsamkeiten sind: Rechtsstaatlichkeit, demokratische Staatsform, Gewaltenteilung. In beiden Ländern ist die Zivilgesellschaft sehr stark. Es herrscht hier wie dort Religions-, Meinungs- und Pressefreiheit, Grundpfeiler einer freien Gesellschaft. Beide Länder sind extrem exportabhängig. In beiden Ländern wird Effizienz und Fleiß großgeschrieben. Und dann natürlich die Erfahrung der Teilung des Landes, wobei Deutschland diese überwunden und Korea immer noch darunter zu leiden hat.

6. Bezüglich der bilateralen Beziehung unserer Nationen. Welche übergreifenden Themen sollte Ihrer Meinung nach mehr in den Fokus geraten, beziehungsweise diskutiert werden?

Ich denke demographische Entwicklung und Digitalisierung sollten mehr diskutiert werden, da diese Themen die nächsten Jahre beider Gesellschaften wesentlich prägen werden.

7. Was kann Südkorea von Deutschland lernen?

Korea könnte von Deutschland lernen, wohin eine alternde und alte Gesellschaft sich entwickelt. Korea könnte aus der Entwicklung in Deutschland Lehren ziehen, untersuchen, wo vielleicht Versäumnisse vorliegen, die eine positivere Entwicklung ermöglicht hätten. Ich denke z.B. an das Gesundheitssystem. Korea kann aber auch lernen: eine alte Gesellschaft, wie Deutschland, die sich nicht mehr im Aufbau befindet, hat andere Bedürfnisse. Nachhaltigkeit wird z.B. hierzulande größer geschrieben, als in Korea.

8. Und umgekehrt?

Deutschland wiederum könnte von Korea lernen, was eine digitalisierte Gesellschaft bedeutet. Korea ist auf diesem Gebiet viel weiter. Die ganze Verwaltung funktioniert reibungslos digital, smart cities sind keine Utopie mehr. Kinder gehen selbstverständlich mit digitalen Medien um. Während des Lockdowns in der Corona-Krise hat das Schulsystem erstaunlich gut -digital – funktioniert. Das kann man von Deutschland nicht behaupten.

9. Die Annäherung zwischen Süd- und Nordkorea im Jahr 2018 verbreitete weltweit vorsichtigen Optimismus. Wie haben Sie diese Zeit erlebt und was wünschen Sie sich für die Zukunft?

Ich gestehe, ich bin Tochter von Eltern, die den Krieg am eigenen Leib erfahren haben. Die Familie mütterlicherseits musste aus Nordkorea fliehen. In meiner Familie herrschte deshalb immer Skepsis gegen den Norden. Als ich deshalb vermeintliche Zeichen der Annäherung sah, war ich sehr verhalten, habe dem „Braten“ nicht wirklich getraut. Für die Zukunft wünschte ich mir erst einmal eine friedliche Koexistenz. Grundvoraussetzung dafür ist für mich unbedingt, dass der Norden die Menschenrechte akzeptiert.

10. Was wünschen Sie sich vom Netzwerk Junge Generation Deutschland- Korea?

Dass viele junge Entscheidungsträger von morgen sich treffen, sich austauschen und versuchen sich gegenseitig besser zu verstehen, dass sie Themen verifizieren, die sie vorantreiben wollen und in beiden Gesellschaften zum Diskurs bringen.