Projekt Beschreibung
Die Fragen stellte Paul Schönewald, Arbeitsgruppe „10 Fragen an” des Netzwerks Junge Generation Deutschland-Korea.
Hinweis: Die Äußerungen unserer Interviewpartner stellen deren Meinung dar und spiegeln nicht grundsätzlich die Meinung des Deutsch Koreanischen Forums e.V. oder des Netzwerks Junge Generation Deutschland-Korea wider.
- Das Goethe-Institut Korea e.V. setzt sich seit 1968 für die Vermittlung zwischen der deutschen und koreanischen Kultur ein. Was war der ausschlaggebende Punkt, das Institut zu gründen?
Die politische, wirtschaftliche und kulturelle Lage der 1960er Jahre in Korea führte insgesamt zu dem Momentum, den aktiven Austausch zwischen Deutschland und Korea auf den Weg zu bringen. 1953, nach Ende des Koreakrieges, musste sich Südkorea zunächst auf den Wiederaufbau des Landes konzentrieren. Ab den 60er Jahren und mit dem rasanten Wirtschaftswachstum wuchs mit dem Bedarf auch das Interesse an kulturellem und internationalem Austausch. Bis 1967 wurden die ersten südkoreanischen Deutschlehrer*innen in Deutschland ausgebildet und rund 600 Südkoreaner*innen besuchten Sprachkurse in Deutschland. Das koreanische Ensemble „Die Brücke“ brachte erste Werke der deutschsprachigen Theaterliteratur in Seoul auf die Bühne. Das Goethe-Institut Korea wurde 1968 in dieser Zeit des gesellschaftlichen Aufbruchs gegründet und ist seitdem lebendiger Mittelpunkt für den Austausch zwischen Korea und Deutschland hier im Land.
- Der Goethe Institut e.V. ist ein weltweit tätiges Kulturinstitut. Welche Ziele verfolgen Sie dabei?
Als Kulturinstitut der Bundesrepublik Deutschland setzen wir uns für Kulturaustausch, Bildung und gesellschaftliche Diskurse ein und fördern das Lehren und Lernen der deutschen Sprache. Wir bieten mit 158 Goethe-Instituten in 98 Ländern ein weltweites Netzwerk von Kontaktpunkten für den Zugang zu deutscher Sprache und Kultur. Gerade angesichts der deutlichen Zunahme von autoritären Regimen ist es uns wichtig, digitale und physische Räume für die freie Entwicklung von Kunst und Kultur, für Austausch und Verständigung anzubieten. In unseren Projekten greifen wir global relevante Themen und Herausforderungen wie den Klimawandel oder die Chancen und Herausforderungen der Digitalisierung auf, um nur zwei Beispiele zu nennen. Angesichts unserer Verankerung im jeweiligen Gastland holen wir lokale Perspektiven zu diesen global relevanten Fragestellungen ein und bereichern die Diskussion um neue Perspektiven.
- Das Goethe Institut ist nach Johann Wolfgang von Goethe benannt. Was können Sie über die Popularität von Goethe in Korea sagen?
Zwei Lehrerinnen am Goethe-Institut Korea haben diese Fragen einmal in unseren Sprachkursen für Jugendliche besprochen. Allen Jugendlichen war Goethe als berühmter Dichter und klassischer Vertreter der deutschen Kultur ein Begriff, aber sie lesen nicht unbedingt seine Werke. Für Studierende, die Germanistik hier im Lande studieren, ist das natürlich anders. Sie sind auch mit den Werken Goethes vertraut.
In diesem Kontext ist jedoch vor allem die Koreanische Goethe-Gesellschaft zu nennen und Prof. Dr. Young-Ae Chon, Professorin an der Seoul National University, die viele deutsche Werke, v.a. „Faust“ und „Demian“, übersetzt hat und 2011 mit der Goethe-Medaille der Weimarer Goethe-Gesellschaft ausgezeichnet wurde. Sie hat bereits einen Goethe-Garten angelegt und plant ein „Goethe-Dorf“ in Yeoju in der Gyeonggi Provinz zu gründen; ihr Ziel ist es auch, sämtliche Werke von Goethe aus einer Hand ins Koreanische zu übersetzen.
Am Goethe-Institut Korea wurde vor ein paar Jahren das Projekt „Being Faust – Enter Mephisto“ initiiert, ein physisches Spiel angereichert mit virtuellen Elementen, basierend auf „FAUST“ von Johann Wolfgang von Goethe, das auch an anderen Goethe-Instituten und bei Theaterveranstaltungen weltweit eingesetzt wurde und allerorten auf großes Interesse stieß. Ausgangspunkt des innovativen Projekts, mit dem das Goethe-Institut Korea und das südkoreanische Game-Label NOLGONG Neuland betraten, war die Frage, wie und mit welchen Mitteln Faust und Mephisto im digitalen Zeitalter aufeinandertreffen würden. Ich denke, mit diesem „Game“ haben wir Goethe in seiner universellen Bedeutung durch die Kernfragen, die er anspricht, wieder ein wenig populärer gemacht auch bei jüngeren Leuten: Was ist mir wichtig im Leben? Woraus bilden sich meine persönlichen Wertvorstellungen? Welchen Preis bin ich bereit zu zahlen, um erfolgreich zu sein?
- dabei besonders in Erinnerung geblieben?
Neben sehr spannenden Projekten zu unserem Schwerpunktthema „Kunst & Technologie“ zum Verhältnis von Mensch und Maschine im digitalen Zeitalter möchte ich in diesem Kontext das Theaterstück „Borderline“ nennen. Es ist eine südkoreanisch-deutsche Koproduktion, welche das Goethe-Institut Korea federführend mit auf den Weg gebracht hat; ein dokufiktionales Theaterstück, das sich mit der deutsch-deutschen Teilung, mit der Teilung Koreas und mit Fragen von Flucht und Migration auseinandersetzt. Es entstand aus Interviews mit nordkoreanischen Geflüchteten und Fluchthelfern und Recherchematerialien, die der Theaterautor Jürgen Berger seit 2017 zusammengetragen hat. In mehreren Workshops in Deutschland und Korea wurde das Material aufgearbeitet und gemeinsam mit dem mehrfach ausgezeichneten südkoreanischen Regisseur Kyungsung Lee und dessen Theatergruppe Creative VaQi sowie der südkoreanischen Producergroup DOT szenisch umgesetzt. Am 3. Oktober 2020 fand die deutsche Premiere dieses Stücks im Marstall des Residenztheaters München anlässlich des 30. Jahrestages der deutschen Wiedervereinigung statt. Die koreanische Premiere fand am 15. November 2020 im Rahmen des Seoul Performing Arts Festivals statt. Auf Grund der Corona-Lage wurde das Theaterstück aufgenommen und über den führenden südkoreanischen Streaming-Service NAVER TV online ausgestrahlt. Erst 2021 konnte „Borderline“ in Seoul diesmal in Bühnenfassung aufgeführt werden und stieß auf großes Interesse. Gefördert wurde das Projekt von The Korea Foundation, dem Arts Council Korea und dem Goethe-Institut Korea.
- Sie sind seit über fünf Jahren Leiterin des Goethe-Instituts Korea sowie Regionalleiterin der Goethe-Institute in Ostasien. Wie kamen Sie dazu und worin bestehen Ihre Aufgaben?
Alles fing an mit einem Praktikum am Goethe-Institut Mumbai, damals noch Bombay, in dessen Rahmen ich das Profil und die Aufgaben eines Goethe-Instituts kennengelernt habe. Ich war noch Studentin, aber mein ganz konkreter Berufswunsch, für das Goethe-Institut im Ausland tätig zu werden, hat sich damals herauskristallisiert.
Nach Stationen in der Zentrale des Goethe-Instituts in München sowie jeweils mehrjährigen Einsätzen in Karachi, Jakarta, Mumbai und Bangkok bin ich seit 2016 Regionalleiterin der Goethe-Institute in der Region Ostasien. Dazu gehören neben unserem Regionalinstitut in Seoul die Goethe-Institute in Festlandchina (Peking, Shanghai) und Hongkong, in Tokyo, Kyoto und Osaka, in Taipei sowie in Ulan Bator. Von Seoul aus koordiniere ich mit meinem Team die regionale Zusammenarbeit und kümmere mich um alle inhaltlichen, strukturellen und budgetären Fragen.
- Im Rahmen Ihrer Karriere haben Sie für das Goethe-Institut e.V. an verschiedenen Standorten gearbeitet. Was reizt Sie an der Arbeit in Korea und welche Herausforderungen bringt Ihre Arbeit mit sich?
Insbesondere sehe ich in Korea zunächst große Chancen für unsere Arbeit: es gibt viele Themen und Interessen, die Deutschland und Korea gemeinsam in einer komplexen und globalisierten Welt bewegen; diese beschränken sich keineswegs auf vermeintliche historische Parallelen im Hinblick auf die Teilung. Auch für die Themen der Gegenwart, z.B. rund um das Thema Digitalisierung und Künstliche Intelligenz, finden wir gerade in Korea viele Anknüpfungspunkte. Die kulturelle Infrastruktur des Landes bietet zudem mit ihren exquisit ausgestatteten Konzerthallen, Museen und Galerien sehr viele Möglichkeiten, die wir als Chance begreifen.
Ich würde mich in der Metropole Seoul gerne noch stärker dafür einsetzen, dass ökologische Themen und Aspekte wie Diversität und Inklusion aufgenommen werden. Und natürlich werden wir uns weiter bemühen, das Interesse an Deutsch als Fremdsprache zu fördern.
Eine Herausforderung auf persönlicher Ebene ist für mich manchmal das balli balli-Tempo, mit dem in Südkorea gearbeitet wird. In Korea muss man immer einen Gang hochschalten!
- Ihr Institut pflegt seit vielen Jahren Beziehungen in das doch sehr verschlossene Nordkorea. Wie gehen Sie dabei vor und was konnten Sie bisher erreichen?
Wir haben in Nordkorea keine Niederlassung, sondern arbeiten dort auf Projektbasis, wobei wir den Schwerpunkt auf Initiativen im Kultur- und Bildungsbereich legen. Wir versuchen, Handlungsspielräume zu nutzen und diese in kleinen Schritten nach Möglichkeit auch zu erweitern, indem wir beispielsweise mit Vertreterinnen und Vertretern aus dem Kulturbereich in Kontakt bleiben, die zu einer gesellschaftlichen Modernisierung des isolierten Landes beitragen können.
Beispiele dafür waren in den letzten Jahren unsere Beiträge zur Internationalen Buchmesse in Pjöngjang oder auch die Zusammenarbeit mit PIFF, dem Internationalen Filmfestival Pjöngjang. Unser Hauptprojekt ist aber die Einrichtung einer Papierrestaurierungswerkstatt an der Großen Studienhalle des Volkes in Pjöngjang, der zentralen Bibliothek in Pjöngjang. Die Papierrestaurierungswerkstatt wird dazu beitragen, wertvolle Manuskripte zu erhalten, die zum gemeinsamen kulturellen Erbe von Nord- und Südkorea gehören. Wir konnten die Werkstatt zwar bereits mit den erforderlichen Werkzeugen und Geräten ausstatten, allerdings steht die Inbetriebnahme noch aus, da wir auf Grund der politischen Spannungen im letzten Jahr nicht das geplante und erforderliche Training der nordkoreanischen Restaurateure mit Experten aus Deutschland durchführen konnten. Aktuell steht nun COVID-19 ohnehin allen Plänen im Wege. Wenn wir diese letzte Hürde nehmen können und die Papierrestaurierungswerkstatt in Pjöngjang an den Start geht, wird dies ein nachhaltiges Erfolgsbeispiel sein, das wir mit viel Geduld und über viele Widerstände hinweg endlich erreicht haben werden.
Sofern es die politischen Entwicklungen zulassen, möchten wir auch weiterhin die kulturelle Programmarbeit in Nordkorea fortsetzen. Die kulturellen Brückenköpfe des Landes sind aus unserer Sicht wichtige Ansprechpartner für den künftigen Dialog, wenn es zu tiefgreifenden Veränderungen im gesellschaftlichen und politischen System Nordkoreas kommen sollte. .
- Vor 32 Jahren wurden West- und Ostdeutschland wieder vereint. Noch heute spüren wir teilweise Unterschiede. Wie erleben Sie den Alltag in einem Land, welches noch immer geteilt ist?
Im Alltag begleitet mich nicht permanent die Empfindung in einem geteilten Land zu leben. Südkorea und insbesondere die Hauptstadt Seoul bietet eine dynamische und höchst inspirierende Lebensumwelt, in der man täglich vielen verschiedenen Eindrücken und Impulsen ausgesetzt ist; sei es die Topographie der Stadt, die abwechslungsreiche Architektur, das lebendige Kulturleben mit Höhepunkten in allen Kunstsparten und die popkulturellen Hallyu-Wellen. Andererseits ist das Bewusstsein der nahen Grenze ein Faktor, den man nie lange ganz ausblenden kann. Wir sprechen ja mit Menschen, die Angehörige in Nordkorea haben und seit Jahrzehnten vermissen; wir sprechen mit Menschen, die sich daher sehnlichst eine Wiedervereinigung wünschen oder auch mit Menschen, die eine Wiedervereinigung aus verschiedenen Gründen zutiefst ablehnen.
Am deutlichsten habe ich die Teilung ganz real und physisch erlebt auf meiner ersten Reise nach Nordkorea. Seoul und Pjönjang liegen nur etwa 195 km auseinander; man könnte also auf dem Landweg locker einen Tagesausflug machen. Aber die Reise führt zunächst per Flug nach Peking, wo man am nächsten Morgen das Visum an der nordkoreanischen Botschaft erhält, um von dort weiter zu fliegen nach Pjöngjang. Zwischen den beiden Nachbarstädten liegt somit eine weite Reise – und zwischen den Lebensumständen der Menschen zwischen Nord- und Südkorea – liegen Welten. West- und Ostdeutschland waren nie so radikal gegeneinander abgeschottet und so verschieden wie Süd-und Nordkorea.
Außerdem drängt sich das Bewusstsein, in einem geteilten Land zu leben immer dann verstärkt auf, wenn es zur Verschärfung in den Beziehungen beider Länder und neuen Drohgebärden des Nordens kommt, die einen Unsicherheitsfaktor in den Alltag tragen, mit dem es umzugehen gilt.
- Aufgrund der Pandemie mussten Sie verstärkt auf Online-Veranstaltungen setzen. Welche Erfahrungen haben Sie mit diesem Umstand gemacht und welchen Einfluss werden diese Erfahrungen auf die Zeit nach der Pandemie haben? EP
Wir haben – nach einer kurzen Umgewöhnungsphase – sehr gute Erfahrungen mit digitalen Formaten gemacht. Hier möchte ich zum Beispiel das Webtoon-Projekt „Meine Welt in der Krise“ nennen, das 2020 als Reaktion auf die Pandemie entstanden ist und bei dem Illustrator*innen aus Deutschland, Korea und Taiwan ihre Sicht auf die Welt in der Corona-Krise – mal auf humorvolle, mal auf nachdenkliche Art und Weise – verarbeitet haben. Ich denke, in einer Zeit, in der der Austausch noch wichtiger geworden ist, sind derlei Formate besonders bei unseren Leser*innen gefragt – auch über die Ländergrenzen hinweg: Das Theaterstück „Borderline“, eine Dokufiktion von Jürgen Berger über Teilung und Wiedervereinigung in Deutschland und Korea, wurde im Residenztheater in München und hier in Seoul aufgeführt. Die koreanischen und deutschen Schauspieler*innen wurden jeweils live über Video zugeschaltet, was sehr beeindruckend und sehenswert war. Weitere Veranstaltungen wie die koreanisch-französisch-deutsche Online-Konferenz „Making Lemonade“, die mit Diskussionen, Best-Practices und Performances der Frage nachging, wie eine attraktive digitale Zukunft für die Kultur aussieht, war ebenfalls für uns ein neues Format, das sich bewährt hat und das sicherlich auch in einer postpandemischen Zeit – neben Online-Filmreihen, Online-Ausstellungen und unseren redaktionellen Angeboten auf der Webseite und den Sozialen Medien – Anklang finden wird.
Auch denke ich, dass hybride Formate wie unsere Mirroring-Kurse mit online/offline-Elementen in Zukunft bestehen bleiben und so den Bedürfnissen unserer Deutschkursteilnehmer*innen – auch unabhängig von den Einschränkungen einer Pandemie – gerecht werden.
- Welche Möglichkeit bietet das Goethe-Institut Korea e.V. für junge, koreainteressierte Menschen, sich einzubringen?
Zum einen gibt es für junge Menschen, die sich für die koreanische Kultur und Sprache interessieren, die Möglichkeit, am Goethe-Institut Korea ein dreimonatiges Praktikum in einer der Abteilungen am Institut – also in der Verwaltung, der Bibliothek, in der Sprach- oder der Programmabteilung – zu absolvieren und so einen Einblick in die Arbeit vor Ort zu bekommen und die Möglichkeit zu haben, einige Wochen in Seoul zu leben und das Land kennenzulernen. Aktuell ist es leider wegen der Pandemie nicht möglich, für ein Praktikum am Institut nach Korea zu reisen, aber wir hoffen, dies bald wieder anbieten zu können.
Junge Arbeitnehmer*innen können sich außerdem auf eine Stelle als Ortskraft bewerben und so über einen längeren Zeitraum am Institut arbeiten, Arbeitsprozesse mitgestalten und eigene Perspektiven und Ideen einbringen. Wer sich für die Laufbahn des Goethe-Instituts interessiert, hat so ebenfalls die Chance, nach Seoul versetzt zu werden.
Zum anderen können junge Menschen über unsere digitalen Angebote – also über unsere Website, die Social-Media-Kanäle und über digitale Veranstaltungen – viel über die koreanische Kultur und Sprache, natürlich immer mit einem Blick auf die deutsche Perspektive, erfahren.